Duchamp hatte eine Boîte en Valise, sein ganzes Werk im Koffer dabei, wie ein Handelsvertreter seiner selbst. Alexandra Kürtz hingegen packt die Welt – ihre Welt – in eine Kugel, ein Einmachglas oder nimmt sie unter die Lupe, konserviert sie, transformiert sie, setzt sie neu zusammen. Vorgefundenes trifft auf Erfundenes, sorgfältig Gezeichnetes auf Ausgeschnittenes, schnell Festgehaltenes auf kunstvoll Entworfenes in immer neuen graphischen Konstellationen. Aquarium, Marmeladen- und Einmachglas, Schneekugel oder Globus werden zu Mikrokosmen und zeichnerisch Metamorphosen unterzogen.

Zwei Fledermäuse in einem Wald, in einem Einmachglas auf Millimeterpapier, kombinieren Zeichnungen, Kopie, Collage mit Alltag, Alptraum, Sehnsüchten und rationaler Vermessung.

In Drei Wäschestücke sind drei abstrakte Zeichnungen scheinbar auf einer Wäscheleine vor einer Waldkulisse aufgehängt. Der Wald könnte aus einem Stück Tapete oder Geschenkpapier entstanden sein; er hat die Form eines Aquariums, und das Ganze wird von Millimeterpapier hinterfangen. Präzision, Abstraktion und spielerische visuelle Phantasie entwerfen einen eigenen Kosmos. Die Drei Wäschestücke erinnern an Kürtz’ Serien sog. versetzter oder amorphen Formen, denen sie mit ihren Titeln ein eigenes Leben einhaucht (Krone, Korb): Sagte nicht schon Duchamp, der Titel zu einem Werk sei wie ein Parfum? Die Kugel kann Aquarium oder Scheibe werden, das Karo der Tischdecke zum Raster des Millimeterpapiers oder zum Deckel eines Marmeladenglases.

In Kürtz‘ Blättern kann Kontur Profil oder Muster sein, die Linie kann festlegen und umreißen oder auch ausreißen. Die Linie kann Strich sein oder Schnur werden, die Form Gefäß oder Fläche, die Farbe Form oder Schatten. Die graphische Vielfalt (Tusche, Blei-, Bunt- oder Filzstift, Lack etc.) und die mediale Diversität (Collage, Zeichnung, découpage, Pausen) kombiniert mit formaler und inhaltlicher Vielschichtigkeit ergeben eine ebenso verspielte wie labyrinthische Bilderwelt. Die graphische Welt der Alexandra Kürtz speist sich aus denselben Elementen wie ihr weiteres Werk, aus dem Alltäglichen, Gewöhnlichen, Häuslichen, das sie scheinbar beiläufig, positiv/negativ, umreißend, ab- und nachzeichnend oder entwerfend spielerisch seziert und transformiert.

Ihr Vorgehen ist transparent, sie legt ihre Karten auf den Tisch und verführt uns dennoch mit ihrer eindringlichen Dinglichkeit in Irrgärten voller Fallstricke der Evidenz.